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Wie im letzten Newsletter angekündigt, werde ich mir jeden Monat ein Bild aussuchen, das mir auffällt, um mich mit ihm auseinanderzusetzen. Es ist immer meine subjektive Auseinandersetzung, mit meinen Augen, meinen Bildschwerpunkten und meiner Art ein Bild zu betrachten. Andere Betrachter werden sicher zu ganz anderen Ergebnissen und Bewertungen kommen. Ich möchte auf diese Art und Weise nur beispielhaft aufzeigen, wie die Betrachtung und Bearbeitung eines Fotos bei mir läuft, in der Hoffnung dass sich sozusagen nebenbei der ein oder andere Tipp ergibt, der dann wieder in die Praxis einfließen kann.
Über Rückmeldung und Diskussion freue ich mich – diese sind ausdrücklich erwünscht.
(Bild 1)Diesmal habe ich mir ein Foto ausgesucht von unserem Clubmitglied jjc500, die es am 27.12. mit dem Titel "Herbstfrost" hier eingestellt hat. Nach ihrer eigenen Einschätzung hält sie sich für eine totale Anfängerin, ich bin aber überzeugt, dass sie einen guten Blick für Motive hat und sich gut entwickeln wird.
Vielen Dank an jjc500, dass du das Foto zur Verfügung stellst.
Mir war das Foto aufgefallen, weil ich es in der kleinen Ansicht nicht identifizieren konnte. Auch bei der Mouseover-Vergrößerung war noch nicht viel zu erkennen. Neugierig geworden öffnete ich es in der Originalansicht.
Wie Zuckerstreusel hat der Herbstfrost feine Kristalle über die Kanten von ein paar verstreut liegenden Blättern gestreut. Ein breites Spektrum an Grüntönen geben dem Bild die ruhige entspannte Wirkung von monochromen Fotos, die weißen Eiskristalle bringen dazu einen spannenden Kontrast, sodass es insgesamt und auf den ersten Blick das Interesse weckt.
Die unterschiedlichen Formen der Blätter laden zum langen Betrachten und Entdecken ein, das kleine Naturkunstwerk lässt mich immer wieder staunen, wie der Frost die Konturen der Blätter nacharbeitet, wie unterschiedlich die einzelnen Kristalle sind und wie noch jeder einzelne kleine Fäden bildet, die wie kleine Bartstoppeln nach außen abstehen.
Das Foto wurde mit einer Alpha 500 mit der Zeitautomatik geschossen, die Blende von 5,6 war vorgewählt. Die fast offene Blende lässt ein schmales Band an Schärfentiefe entstehen. Das zehnfingerige Blatt links unten vom Zentrum ist präzise fokussiert, die dazu von der Kamera gelieferte Zeit von 1/100 lässt ein ausreichend scharfes Foto auch ohne Stativ entstehen (ein Stativ zu benutzen wäre mit Sicherheit ein Tipp gewesen, wenn mein Freund und Mitmoderator Ambos das Foto beurteilt hätte). Das schmale Schärfeband lässt somit sogar eine gewisse Tiefe entstehen die das Foto sehr dekorativ macht.
Der Weißabgleich war auf Tageslicht gestellt, was dem Bild einen Blaustich verleiht, der sicher etwas von der natürlichen Lichtstimmung vor Ort abweicht, aber das gewählte Thema unterstreicht und unterstützt.
Beim Betrachten des Fotos erlebte ich aber eine kleine Irritation: Mein Blick fiel als erstes auf die Blätter die sich ein wenig höher als das Schärfezentrum in der Bildmitte befinden. Ganz natürlich für den Blick des Betrachters: Er sucht immer zuerst den hellsten Punkt im Bild, um von dort aus das Bild weiter zu erkunden. Diese “Eyecatcher“ oder Ankerpunkt genannte Stelle hilft dem Auge eine Bildrezeption zu strukturieren.
Fotografen können diesen Umstand nutzen, indem sie den Licht- und Helligkeitspunkt dahin setzen, wo sie wollen, dass der Betrachter das Bild zuerst anschaut. Das ist normalerweise das Hauptmotiv und der Schärfepunkt zugleich.
In diesem Fall wurde mit dem natürlichen Licht gearbeitet, keine Reflektoren eingesetzt, kein Blitz benutzt, der das Licht lenken könnte. Das führt hier dazu, dass der hellste Punkt leider im Unschärfebereich liegt. Das ist ein wenig schade.
Im Gewusel der unterschiedlichen Blätter, die unstrukturiert wie in der Natur vorgefunden fotografiert wurden, kann man, wenn auch schwach, dennoch so etwas wie eine Linienführung erkennen, die den Blick weiterhin lenkt: Da sind die drei fingerförmigen Blätter, die um die Bildmitte herum eine Bilddiagonale bilden und im Verbund mit dem angeschnittenen Blatt unten in der Mitte den Blick weiter auf die Reise schickt. Hier wandert der betrachtende Blick eine Weile hin und her, um immer mit kleinen Seitenblicken den Rest des Bildes aufzunehmen. Manchmal wird er durch den Grashalm der über den Blättern liegt, auf die Gegendiagonale gelenkt um aber gleich wieder zurückzuspringen. Diese Konstruktion nimmt den Blick "gefangen" – er wird nicht aus dem Bild geführt. Sicher mit ein Grund dafür, dass die Betrachtung dieses Fotos relativ lange dauert.
Nun habe ich versucht, die beiden Schwächen des Bildes aufzunehmen und zu schauen, ob ich sie ausgleichen kann, ohne die Gesamtwirkung zu zerstören. Die Herangehensweise ist sehr subjektiv und soll nur wieder beispielhaft aufzeigen, was man machen kann. Es gibt tausend andere Wege und sicher auch tausend Meinungen dazu, ob sie das Bild tatsächlich verbessert.
Als erstes habe ich mich an den Schnitt gemacht. Ich benutze dazu immer zwei Blatt weißes Papier, die bei mir neben dem Monitor liegen: Diese lege ich vor das Bild und verschiebe sie – eines in der Längsebene, eines in der Querebene – und studiere die dabei entstehende Wirkung. Um die angesprochene Bilddiagonale stärker herauszuarbeiten, habe ich mich für ein Hochformat entschieden und schneide rechts und links einiges weg.
Diesen Ausschnitt nehme ich als Basis für die weitere Bearbeitung.
(Bild 2)Als erstes möchte ich versuchen, den Helligkeitspunkt von den unscharfen Blättern abzudunkeln:
Ich dupliziere meine Ebene, stelle im Ebenen-dialog den Verrechnungsmodus auf "weiches Licht", was mir das ganze Bild abdunkelt. Da ich das ja nicht will, lege ich mit gedrückter Alt-Taste eine invertierte Maske über das Bild und kann mir jetzt mit dem weißen Pinsel die Strukturen des Fotos dunkel malen, die ich dunkel haben will – also mit dem weißen Pinsel (kleiner Radius, weiche Spitze) die zu hellen, unscharfen Blätter mit dem Pinsel bemalen.
Da der Effekt so zu stark ist, regele ich ihn mit dem Deckkraftregler auf ca. 15%.
(Bild 3)Als zweites versuche ich den Motivschwerpunkt, das etwas zu dunkle scharfe Blatt, ein wenig aufzuhellen: Ich erstelle mir wieder eine neue Ebene, stelle diesmal den Modus auf "Multiplizieren" und lege mir erneut mit gedrückter Alt-Taste eine invertierte Maske über das Foto, da ich den Effekt ja nicht aufs ganze Foto anwenden möchte. Wieder mit den weißen Pinsel den Bereich ausmalen, wo man meint, dass es richtig ist.
Als ich mit dem Deckkraftregler die richtige Helligkeit einstellen will, merke ich, dass mir das so nicht gefällt. Also die letzten Schritte wieder zurück für einen neuen Versuch: Ich lege eine leere Ebene über das Foto, male mit dem weißen Pinsel einen dicken weißen Fleck über den Bildteil. Wenn ich jetzt den Verrechnungsmodus auf "weiches Licht" stelle und das Verschieben-Werkzeug benutze, kann ich diesen weißen Fleck "anfassen" und im Bild herumziehen. Über den zu dunklen Blättern erscheint es mir jetzt gerade richtig.
Die Deckkraft soweit reduzieren, das es natürlich erscheint, und die Ebenen zusammenfassen, schon ist es fertig.
In ein paar Minuten habe ich den Helligkeitsschwerpunkt des Bildes komplett verändert, ob das bei diesem Bild jetzt nötig war oder nicht, darüber kann man trefflich streiten, die selbe Technik funktioniert aber auch bei jedem anderen Foto und kann schon sehr hilfreich sein.
(Bild 4)Probeweise habe ich auch noch versucht den Blaustich zu neutralisieren, indem ich die Datei gespeichert habe und als Camera Raw wieder geöffnet habe. Dort kann ich dann auch bei jeder jpe-Datei den Weißabgleich einstellen. Aber mir gefiel die Bildaussage mit dem ursprünglichen Blaustich besser.
Abschließende Routinen wie Tonwertkorrekturen, Graduationsanpassung und Schärfung habe ich diesmal nicht gemacht.
Ich hoffe, das ich mit meiner Art der Bildbetrachtung und Bildbearbeitung ein paar Tipps weitergeben konnte, die dem Einen oder Anderen in der Praxis hilfreich sind.
Wer ebenfalls eins seiner Bilder gerne so ausführlich von mir behandelt hätte, der setze sich einfach mit mir in Verbindung.
Viel Spaß beim ausprobieren.
Henry
Hallo Henry,
wäre ein dunkler Verlauf in der oberen Hälfte nicht einfacher gewesen ?
Wenn ich das Original hätte, würde ich es probieren.
Werner
Danke für die auffühliche Erörterung und die Photoshop-Tipps!
Hallo Henry,
hier mein Ergebnis
(Bild 1)Habe als erstes beim Bild, über Gradationskurve, die Mitten etwas aufgehellt. Dann eine Ebenenkopie von der Hintergrundebene gemacht und die Ebenen im Modus multiplizieren verrechnen lassen, die Deckkraft auf 70% runter geregelt, damit hatte ich schon fast dein Bild. Den Blaustich habe ich mittels Gradationskurve im Blaukanal etwas reduziert. Hätte zwar das linke untere Blatt noch etwas aufhellen können, finde aber durch den jetzigen erhöhten Kontrast kommen die Eiskristalle besser zur Geltung. Bearbeitungszeit ca.5min.
Da mich der Grashalm über dem Bild störte, habe ich diesen mit dem Bereichs-Reparaturpinsel übermalt und anschließend kleine Korrekturen mit dem Stempelwerkzeug mit Härte 25% korrigiert.
Ich finde es ja auf der einen Seite immer wieder interessant Bildkorrekturen und Lehrgänge mit PS vorzuführen, aber versuche doch mal das Ganze mit der mitgelieferten Sony Software zu realisieren. Ich denke der überwiegende Teil wird wohl nicht mit PS arbeiten, weil das Programm auf legalen Weg einfach zu teuer ist. Viele Bilder scheinen, wenn überhaupt, mit Freeware bearbeitet zu werden, hier fehlen schon die die ganzen Möglichkeiten wie sie im PS geboten werden.
Gruß Didi
Hallo Didi,
fast alles was Du oder Heiner mit dem Bild anstellt lässt sich auch mit der hervorragenden Freeware Paint.Net realisieren. Bei einigen Dingen muss man zwar improvisieren aber im Großen und Ganzen ist dieses Program eine interessante Alternative. Ich arbeite selbst auf meinem privaten Notebook damit und muss sagen, dass es einfach Spaß macht.
Einfach mal anschauen unter http://www.getpaint.net/
Die Software gibt's auch in Deutsch
Schöne Grüße aus Berlin
Peter
Vielen Dank für diese Bildbesprechung. Solche Diskussionen sind für gute Photos wesentlich interessanter und nützlicher, als die ständigen Technikdiskussionen, ob ein Objektiv etwas schärfer zeichnet, als ein anderes.
Der Schärfeeindruck wird, wie man schön sieht, durch die ”Entwicklung” mehr beeinflusst, als durch das Objektiv.
Der Grashalm, der quer durch das Bild verläuft, störte mich auch. Allerdings sieht man auch, dass trotz Photoshop, vor allem dann wenn es schnell gehen muss, die Retusche nicht so recht befriedigt. Am sinnvollsten ist es eben sich schon vor der Aufnahme diese bildgestaltnerischen Aspekte durch den Kopf gehen zu lassen.
Die Kontrastanhebung durch Didi zeichnet zwar die Blätter etws intensiver, allerdings werden dadurch die strohfarbenen Halme oben und rechts verstärkt. Da das für mich störende Bildelemente sind (optische Linien) und den Blick vom Zentralmotiv wegführen, hätte ich sie entweder ganz retuschiert oder mit dem Nachbelichter abgedunkelt.
Dazu braucht man nicht unbedingt PS . Die wesentliche günstigere Elements Version kann das auch!
VG GFS
PS: Als Schnittalternative (ohne den Grashalm zu entfernen): So eng schneiden, dass die beiden Grashalme oben und unten im Eck jeweils die Basis ein gleich großen Dreiecks bilden.
Also mir sagt das Bild nix, egal wie ihr es bearbeitet. Für mich isses eins, was ich überblättern würde.
Bin ich da die Einzige oder hat sich noch keiner getraut, sich zu outen?
pingu schrieb:
Ein Bild über Blätter und Du überblätterst es, vielleicht gerade deshalb. Dann solltest Du mal Deinen Stimmen lauschen, Bilder sprechen nicht, ob ein Bild dir etwas sagt, hängt von Dir ab, nicht von dem Bild. Wie sagte schon Magritte: Wir sehen die Welt als ein Außen, obwohl wir die Darstellung von ihr in uns tragen.
VG GFS
Hallo!
Ja ich glaub es traut sich keiner sich zu outen - aber eigentlich weniger weil das Bild nichtssagend oder verbockt ist ... - vielmehr bin ich ein wenig entsetzt wenn in selbstherrlicher Art Bilder von Usern retuschiert und verbessert werden ohne auch nur ein Kommentar vom Urheber. Weder über einverständnis noch über Gedanken bei der Aufnahme!! Da taucht für mich der Verdacht der Selbstbeweihräucherung auf!!
Korrekt und sinnvoll!!
1. Schritt: ein eigenes Foto für Schauzwecke verwenden!
2. Schritt: Lerneffekt bringt eine kurze und informative Beschreibung
3. Schritt: die einzelnen Schritte mit Bildmaterial (... oder als Video, welches auch für ungeübte Mitglieder leicht verständlich ist und zum nachmachen animiert! - siehe Ambos!!)
4. Schritt: Die Gedanken des Bildbearbeiters stehen im Hintergrund - die Idee und Inspiration des/der Fotografen/in mit einbeziehen, wenn schon das Bild besprochen wird!
schönen Tag!
Sandro
Hallo Sandro,
nur zu Deiner Information: Das Bild wurde vom Besitzer an Henry gesandt, damit dieser dies Besprechen und ein paar Tipps dazu abgeben konnte. Es liegt also das Einverständnis des Besitzers vor und die Besprechung erfolgte auf Wunsch desselben.
Hier geht es also nicht um Selbstbeweihräucherung sondern um einen Service den wir euch anbieten (siehe Newsletter vom letzten Monat).
Schöne Grüße
Peter