Abbrechen
Suchergebnisse werden angezeigt für 
Stattdessen suchen nach 
Meintest du: 

Jetzt anmelden und Teil der Community werden!

Bildbesprechung Herbstfrost

profile.country.DE.title
Sir_Henry
Vielschreiber

Bildbesprechung Herbstfrost

Wie im letzten Newsletter angekündigt, werde ich mir jeden Monat ein Bild aussuchen, das mir auffällt, um mich mit ihm auseinanderzusetzen. Es ist immer meine subjektive Auseinandersetzung, mit meinen Augen, meinen Bildschwerpunkten und meiner Art ein Bild zu betrachten. Andere Betrachter werden sicher zu ganz anderen Ergebnissen und Bewertungen kommen. Ich möchte auf diese Art und Weise nur beispielhaft aufzeigen, wie die Betrachtung und Bearbeitung eines Fotos bei mir läuft, in der Hoffnung dass sich sozusagen nebenbei der ein oder andere Tipp ergibt, der dann wieder in die Praxis einfließen kann.


Über Rückmeldung und Diskussion freue ich mich – diese sind ausdrücklich erwünscht.


(Bild 1)Diesmal habe ich mir ein Foto ausgesucht von unserem Clubmitglied jjc500, die es am 27.12. mit dem Titel "Herbstfrost" hier eingestellt hat. Nach ihrer eigenen Einschätzung hält sie sich für eine totale Anfängerin, ich bin aber überzeugt, dass sie einen guten Blick für Motive hat und sich gut entwickeln wird.


Vielen Dank an jjc500, dass du das Foto zur Verfügung stellst.


Mir war das Foto aufgefallen, weil ich es in der kleinen Ansicht nicht identifizieren konnte. Auch bei der Mouseover-Vergrößerung war noch nicht viel zu erkennen. Neugierig geworden öffnete ich es in der Originalansicht.


Wie Zuckerstreusel hat der Herbstfrost feine Kristalle über die Kanten von ein paar verstreut liegenden Blättern gestreut. Ein breites Spektrum an Grüntönen geben dem Bild die ruhige entspannte Wirkung von monochromen Fotos, die weißen Eiskristalle bringen dazu einen spannenden Kontrast, sodass es insgesamt und auf den ersten Blick das Interesse weckt.


Die unterschiedlichen Formen der Blätter laden zum langen Betrachten und Entdecken ein, das kleine Naturkunstwerk lässt mich immer wieder staunen, wie der Frost die Konturen der Blätter nacharbeitet, wie unterschiedlich die einzelnen Kristalle sind und wie noch jeder einzelne kleine Fäden bildet, die wie kleine Bartstoppeln nach außen abstehen.


Das Foto wurde mit einer Alpha 500 mit der Zeitautomatik geschossen, die Blende von 5,6 war vorgewählt. Die fast offene Blende lässt ein schmales Band an Schärfentiefe entstehen. Das zehnfingerige Blatt links unten vom Zentrum ist präzise fokussiert, die dazu von der Kamera gelieferte Zeit von 1/100 lässt ein ausreichend scharfes Foto auch ohne Stativ entstehen (ein Stativ zu benutzen wäre mit Sicherheit ein Tipp gewesen, wenn mein Freund und Mitmoderator Ambos das Foto beurteilt hätte). Das schmale Schärfeband lässt somit sogar eine gewisse Tiefe entstehen die das Foto sehr dekorativ macht.


Der Weißabgleich war auf Tageslicht gestellt, was dem Bild einen Blaustich verleiht, der sicher etwas von der natürlichen Lichtstimmung vor Ort abweicht, aber das gewählte Thema unterstreicht und unterstützt.


Beim Betrachten des Fotos erlebte ich aber eine kleine Irritation: Mein Blick fiel als erstes auf die Blätter die sich ein wenig höher als das Schärfezentrum in der Bildmitte befinden. Ganz natürlich für den Blick des Betrachters: Er sucht immer zuerst den hellsten Punkt im Bild, um von dort aus das Bild weiter zu erkunden. Diese “Eyecatcher“ oder Ankerpunkt genannte Stelle hilft dem Auge eine Bildrezeption zu strukturieren.


Fotografen können diesen Umstand nutzen, indem sie den Licht- und Helligkeitspunkt dahin setzen, wo sie wollen, dass der Betrachter das Bild zuerst anschaut. Das ist normalerweise das Hauptmotiv und der Schärfepunkt zugleich.


In diesem Fall wurde mit dem natürlichen Licht gearbeitet, keine Reflektoren eingesetzt, kein Blitz benutzt, der das Licht lenken könnte. Das führt hier dazu, dass der hellste Punkt leider im Unschärfebereich liegt. Das ist ein wenig schade.


Im Gewusel der unterschiedlichen Blätter, die unstrukturiert wie in der Natur vorgefunden fotografiert wurden, kann man, wenn auch schwach, dennoch so etwas wie eine Linienführung erkennen, die den Blick weiterhin lenkt: Da sind die drei fingerförmigen Blätter, die um die Bildmitte herum eine Bilddiagonale bilden und im Verbund mit dem angeschnittenen Blatt unten in der Mitte den Blick weiter auf die Reise schickt. Hier wandert der betrachtende Blick eine Weile hin und her, um immer mit kleinen Seitenblicken den Rest des Bildes aufzunehmen. Manchmal wird er durch den Grashalm der über den Blättern liegt, auf die Gegendiagonale gelenkt um aber gleich wieder zurückzuspringen. Diese Konstruktion nimmt den Blick "gefangen" – er wird nicht aus dem Bild geführt. Sicher mit ein Grund dafür, dass die Betrachtung dieses Fotos relativ lange dauert.


Nun habe ich versucht, die beiden Schwächen des Bildes aufzunehmen und zu schauen, ob ich sie ausgleichen kann, ohne die Gesamtwirkung zu zerstören. Die Herangehensweise ist sehr subjektiv und soll nur wieder beispielhaft aufzeigen, was man machen kann. Es gibt tausend andere Wege und sicher auch tausend Meinungen dazu, ob sie das Bild tatsächlich verbessert.


Als erstes habe ich mich an den Schnitt gemacht. Ich benutze dazu immer zwei Blatt weißes Papier, die bei mir neben dem Monitor liegen: Diese lege ich vor das Bild und verschiebe sie – eines in der Längsebene, eines in der Querebene – und studiere die dabei entstehende Wirkung. Um die angesprochene Bilddiagonale stärker herauszuarbeiten, habe ich mich für ein Hochformat entschieden und schneide rechts und links einiges weg.


Diesen Ausschnitt nehme ich als Basis für die weitere Bearbeitung.


(Bild 2)Als erstes möchte ich versuchen, den Helligkeitspunkt von den unscharfen Blättern abzudunkeln:


Ich dupliziere meine Ebene, stelle im Ebenen-dialog den Verrechnungsmodus auf "weiches Licht", was mir das ganze Bild abdunkelt. Da ich das ja nicht will, lege ich mit gedrückter Alt-Taste eine invertierte Maske über das Bild und kann mir jetzt mit dem weißen Pinsel die Strukturen des Fotos dunkel malen, die ich dunkel haben will – also mit dem weißen Pinsel (kleiner Radius, weiche Spitze) die zu hellen, unscharfen Blätter mit dem Pinsel bemalen.


Da der Effekt so zu stark ist, regele ich ihn mit dem Deckkraftregler auf ca. 15%.


(Bild 3)Als zweites versuche ich den Motivschwerpunkt, das etwas zu dunkle scharfe Blatt, ein wenig aufzuhellen: Ich erstelle mir wieder eine neue Ebene, stelle diesmal den Modus auf "Multiplizieren" und lege mir erneut mit gedrückter Alt-Taste eine invertierte Maske über das Foto, da ich den Effekt ja nicht aufs ganze Foto anwenden möchte. Wieder mit den weißen Pinsel den Bereich ausmalen, wo man meint, dass es richtig ist.


Als ich mit dem Deckkraftregler die richtige Helligkeit einstellen will, merke ich, dass mir das so nicht gefällt. Also die letzten Schritte wieder zurück für einen neuen Versuch: Ich lege eine leere Ebene über das Foto, male mit dem weißen Pinsel einen dicken weißen Fleck über den Bildteil. Wenn ich jetzt den Verrechnungsmodus auf "weiches Licht" stelle und das Verschieben-Werkzeug benutze, kann ich diesen weißen Fleck "anfassen" und im Bild herumziehen. Über den zu dunklen Blättern erscheint es mir jetzt gerade richtig.


Die Deckkraft soweit reduzieren, das es natürlich erscheint, und die Ebenen zusammenfassen, schon ist es fertig.


In ein paar Minuten habe ich den Helligkeitsschwerpunkt des Bildes komplett verändert, ob das bei diesem Bild jetzt nötig war oder nicht, darüber kann man trefflich streiten, die selbe Technik funktioniert aber auch bei jedem anderen Foto und kann schon sehr hilfreich sein.


(Bild 4)Probeweise habe ich auch noch versucht den Blaustich zu neutralisieren, indem ich die Datei gespeichert habe und als Camera Raw wieder geöffnet habe. Dort kann ich dann auch bei jeder jpe-Datei den Weißabgleich einstellen. Aber mir gefiel die Bildaussage mit dem ursprünglichen Blaustich besser.


Abschließende Routinen wie Tonwertkorrekturen, Graduationsanpassung und Schärfung habe ich diesmal nicht gemacht.


Ich hoffe, das ich mit meiner Art der Bildbetrachtung und Bildbearbeitung ein paar Tipps weitergeben konnte, die dem Einen oder Anderen in der Praxis hilfreich sind.


Wer ebenfalls eins seiner Bilder gerne so ausführlich von mir behandelt hätte, der setze sich einfach mit mir in Verbindung.


Viel Spaß beim ausprobieren.


Henry

23 ANTWORTEN 23
profile.country.DE.title
Ambos.
Forenjunkie


Hallo "Sandro",





eine Bildbesprechung die man dann auch bildlich darstellt ist genau der richtige Weg, weil dann ist es für die Leute greifbar, wenn ich nur anhand von Text erkläre wie man es verbessern kann, kommt es nicht so gut rüber. Die Bearbeitungsweise die hier durch PS geschildert wird dient ja nur als Mittel zum Zweck. Bei einer "normalen" Bildbesprechung hat man einen Ausdruck und hat diesen auf dem Tisch liegen und redet mit ein paar Leuten darüber, das ist online nicht so einfach. Die Diskussion die aber hier entstanden ist, ist genau was wir beabsichtigen und was alle weiter bringt, nämlich sich mehr Gedanken beim Fotografieren zu machen. Zum Glück ist die Sichtweise bei jedem anders und jeder der ernsthaft und länger Fotografiert hat seine eigene Handschrift, auch wenn sich viele durch Workshops beeinflussen lassen und nachher denselben Stil wie der Referent haben ;-).


Naja und HDRI Fotos werden ja auch per Software zusammen gebastelt, nicht war! 😉





Ich persönlich hoffe das Henry noch weitere Besprechungen in dieser Art macht, und ich lade natürlich alle die hier eine andere Sichtweise haben, selbst eine Bildbesprechung für den nächsten Newsletter zu schreiben und einzureichen.





LG Jens

https://www.facebook.com/groups/169446286405248/
profile.country.DE.title
Sir_Henry
Vielschreiber

Hallo miteinander






prima das ihr so vielfältig diskutiert, so gibt es verschiedene Arten an die Bildgestaltung zu gehen und gleich beim fotografieren auf verschiedene Dinge zu achten. Da gibt es verschiedene Arten, die Bildbearbeitung anzugehen, die auch nochmal verschiedene Schwerpunkte setzen.






Da kann man sehen, wie viel Erfahrung, Knowhow und Wissen in dieser vielfältigen Gemeinschaft stecken und aktivierbar ist.






LG


Henry

profile.country.DE.title
Sir_Henry
Vielschreiber

Hallo Sandro






;-))






Vielen Dank für deine Meinung.


Ich habe ausdrücklich darum gebeten und finde es auch gut, wenn dann so kritische Anmerkungen kommen.


Im Text habe ich ausreichend klar gemacht, um was es mir mit der Art und Ausführung der Bildbesprechung in dieser Form geht, sie wendet sich an ein Publikum, das bereit ist, sich durch längere Texte zu arbeiten und die eigenständig in der Lage sind, die Quintessenz zu extrahieren und sich nutzbar zu machen. Dass das nicht jedermans Sache sein kann, ist mir klar.


Ich dachte ausreichend klar gemacht zu haben, das ich das Einverständnis der Fotografin eingeholt habe,




> Vielen Dank an jjc500, dass du das Foto zur Verfügung stellst.
Ich werde ausschließlich Fotos besprechen, die mir zugeschickt werden, oder von denen ich mir explizit das Einverständnis zur Besprechung eingeholt habe. Das ist auch in diesem Fall geschehen.






Ansonsten möchte ich nochmal ausdrücklich um Diskussionen bitten, konstruktiv und hilfreich und die Sache betreffend ist natürlich am besten. Aber wer will darf auch weiterhin destruktiv und unsachlich seine Meinung äussern. Jeder wie er kann. Nur die Nettinquette muß eingehalten werden.






;-))






LG


Henry

profile.country.de_DE.title
Retired_282425
Alter Hase



Sonyboy schrieb:
Auch so ein Meister der Interpunktion ;:-)?. Schau Dir Deine tausend Blaumeisen an, vielleicht photographierst Du auch mal eine, Dein Portfolio weist Dich ja als Spezialisten der Bildgestaltung aus, bevor Du Dich hier in einer konstruktiven Diskussion unter Erwachsenen als noch nicht mal des Lesens fähig bloß stellst, sony*boy.*

*VG GFS*

PS. Ich hoffe, dass dies nicht die letzte Bilddiskussion sein wird, allerdings wünsche ich mir, dass dann unterm Bild nur Beitrage erscheinen, die sich mit dem Bild auseinander setzten. Um sich über die profilierungssüchtigen Clubmitglieder auszulassen kann dann ja ein paralleler Diskussionsstrang eröffnet werden.